Stellungnahme der DGKH
Der aktuell notwendige Strategiewechsel hin zum Schutz der Vulnerablen erfordert Anpassungen in der station?ren Versorgung von SARS-CoV-2-Patienten
Johannes Knobloch, Johannes Tatzel, Christof Alefelder, Nils-Olaf Hübner, Friederike Lemm, Walter Popp, Lutz Jatzwauk, Martin Exner, Peter Walger
im Namen des Vorstands der DGKH
Die Belastungen in den Krankenh?usern haben sich durch Isolationsaufwand und Personalausf?lle ge?ndert
Bei vielen PatientInnen stellt der Nachweis von SARS-CoV-2 eine zuf?llige Nebendiagnose bei Aufnahme dar, sie sind mit und nicht wegen SARS-CoV-2 hospitalisiert. Auf Grund zunehmender Immunit?t durch Impfungen und Genesung gegenüber der Erkrankung durch SARS-CoV-2 treten schwere Verl?ufe von COVID-19 seltener auf. Hierdurch hat sich aktuell in den Krankenh?usern der Versorgungsschwerpunkt auf Normalstationen verlagert. Die massenhafte Zunahme der Omikron-Infektionen mit ihren Sublinien BA.1 und BA.2 verlangt – wie im Pandemieplan vorgesehen – den Strategiewechsel vom Containment hin zur Protection, d.h. dem Schutz besonders vulnerabler Gruppen vor schweren Erkrankungen und Tod statt Schutz vor jeder Infektion. Die DGKH hat in ihrer Stellungnahme vom 24. 01. 2022 auf die Konsequenzen des überf?lligen Strategiewechsels hingewiesen, und insbesondere auch Anpassungen gefordert, die im Bereich der medizinischen Einrichtungen erforderlich sind (https://www.krankenhaushygiene.de/pdfdata/12_16_DGKH_ Stellungnahme_HM_12_22.pdf ).
Dazu geh?rt insbesondere eine flexiblere Handhabung von bisher beh?rdlich geforderten Ma?nahmen, wie sie bereits vielerorts unter der Regie der lokal zust?ndigen KrankenhaushygienikerInnen und auch mit Zustimmung der ?rtlichen Gesundheits?mter praktiziert wird.
Seit Beginn der Pandemie konnten viele neue Erkenntnisse zu den übertragungswegen, zu den Effekten der Impfung, der Rolle der Virusvarianten und den Schutzkonzepten gesammelt werden. Zudem steht, anders als am Anfang der Pandemie, Schutzmaterial in ausreichender Menge zur Verfügung.
Die bisherigen Empfehlungen des RKI bedürfen einer Anpassung
Das Robert Koch Institut (RKI) fordert weiterhin ?die getrennte Versorgung von COVID-19 F?llen, Verdachtsf?llen und anderen PatientInnen im station?ren Bereich“ (RKI - Navigation - Organisatorische und personelle Ma?nahmen für Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie Alten- und Pflegeeinrichtungen w?hrend der COVID-19-Pandemie; Stand 4.2.2022, Abruf 10.03.2022 9:00 Uhr). Die Einrichtung von reinen COVID-19-Krankenh?usern oder –Abteilungen hat sich zu keinem Zeitpunkt der Pandemie als sinnvolle Strategie erwiesen. Die geforderte personelle und r?umliche Trennung stellt eine nicht tragbare Belastung für Krankenh?user dar und kann die Versorgung von PatientInnen mit anderen Grunderkrankungen gef?hrden. Diese Ma?nahme erfolgte offenbar unter der Vorstellung, dass v.a. eine übertragung zwischen Patienten durch Personal, welches sich bei Patienten infiziert hat, erfolgt. Das entspricht aber nicht der aktuellen Situation.
Bei korrekter Einhaltung erforderlicher infektionspr?ventiver Ma?nahmen ist eine übertragung zwischen Personal und Patienten vermeidbar. Eine Flexibilisierung der Versorgungsm?glichkeiten für die Krankenh?user ist daher erforderlich und muss von den lokalen ExpertInnen für Krankenhaushygiene engmaschig begleitet werden. Auch die RKI Forderung ?Wenigstens innerhalb einer Schicht sollte ?rztliches und pflegerisches Personal nicht zwischen den Bereichen wechseln“ ist nicht haltbar, da innerhalb einer Schicht eine übertragung durch medizinisches Personal mit geeigneten und gut geschulten Ma?nahmen vermeidbar ist. Ursachen für nosokomiale Ausbrüche sind mit den klassischen Verfahren des Ausbruchsmanagements unter professionellem Einsatz durch das Hygienefachpersonal erkenn- und kontrollierbar (siehe auch DGKH Stellungnahme vom 24. 01. 2022).
Aktuelle Empfehlung der DGKH zu Hygienema?nahmen im Krankenhaus unter Berücksichtigung des relevanten übertragungsweges bei Atemwegsinfektionen
Rückkehr zu den etablierten Schutzkonzepten einer dezentralen Behandlung in den Fach-Abteilungen - die Covid-19-Sonderbereiche sind inzwischen Teil der überlastung
Die übertragung von SARS-CoV-2 erfolgt fast ausschlie?lich über Tr?pfchen/Aerosol-Gemische im Nahbereich und unter bestimmten Umst?nden über Aerosole im Fernbereich. Bei Anwendung korrekter H?ndehygienema?nahmen ist eine übertragung von SARS-CoV-2 über die H?nde vermeidbar. Unbelebte Oberfl?chen k?nnen als Reservoir, insbesondere bei Verunreinigung mit Speichel, bei Kontakt von Bedeutung sein, spielen aber eine nachrangige Rolle, insbesondere bei Durchführung der von der KRINKO empfohlenen Fl?chendesinfektion. Für alle drei übertragungswege stehen etablierte Ma?nahmen zur Infektionspr?vention zur Verfügung, die in Empfehlungen der KRINKO beschrieben sind. Bei einem übertagungsweg über Tr?pfchen und z. T. über Aerosole entsprechen die erforderlichen Ma?nahmen zur Infektionspr?vention der Versorgung von anderen viralen Atemwegsinfektionen (insbesondere Influenza).
In Zukunft sollte wieder die KRINKO-Empfehlung zur ?Infektionspr?vention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ als Basis der krankenhaushygienischen Ma?nahmen bei SARS-COV-2 Infektionen dienen. (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/Infektionspraev_Pflege_Diagnostik_Therapie.pdf?__blob=publicationFile)
Eine Umsetzung dieser Ma?nahmen ist r?umlich regelhaft in allen Bereichen eines Krankenhauses m?glich, so dass PatientInnen mit SARS-CoV-2 in den für die jeweilige Grunderkrankung führenden Bereichen ad?quat versorgt werden k?nnen. Grunds?tzlich sollten künftig zun?chst die für die jeweilige Grunderkrankung führenden Fachdisziplinen die Versorgung SARS-CoV-2 positiver oder potentiell infizierter PatientInnen übernehmen. In Abh?ngigkeit der Versorgungslast und den Anforderungen zur Sicherstellung der Versorgung besteht weiterhin die M?glichkeit, COVID-19-Stationen oder Isolationsbereiche vorzuhalten, die der fachspezifischen Versorgung von an COVID-19 erkrankten PatientInnen dienen. Unabh?ngig davon besteht die Kernforderung, nosokomiale SARS-COV-2 Infektionen zu vermeiden. Dies muss aber wieder in den bew?hrten, in §23 IfSG beschriebenen Verantwortungen geschehen.
Schutzma?nahmen in einer dezentralen Versorgung sind etablierte Hygienestandards
Folgende Ma?nahmen sollten in einer dezentralen Versorgung von PatientInnen beachtet werden:
? Die Isolation von SARS-CoV-2 positiven PatientInnen erfolgt in Einzelzimmern oder gemeinsam in Mehrbettzimmern oder Bereichen (Kohorte). Die Ma?nahmen hinsichtlich der Unterbringung sind in der o.g. KRINKO-Empfehlung beschrieben. Bei Fensterlüftung sollen die Zimmertüren geschlossen sein. Der Status bei anderen übertragbaren Erregern (z. B. multiresistenten Bakterien, C. difficile, etc.) muss beachtet werden.
? Bei Patientenzimmern mit Fensterlüftung sollte ein Lüftungskonzept umgesetzt werden, das sicherstellt, dass die Aerosolkonzentrationen regelm??ig reduziert werden. Neben regelm??igem Lüften (zum Beispiel mindestens 3 x t?glich) sollte zum Personalschutz eine Lüftung des Zimmers vor aufw?ndigen pflegerischen oder therapeutischen Ma?nahmen erfolgen.
? Der Betrieb von Raumluft-Technischen-Anlagen (RLT) ist mit den zust?ndigen KrankenhaushygienikerInnen abzustimmen. Zu den zu beachtenden Aspekten wird die DGKH eine eigene Mitteilung herausgeben.
? Zimmer mit Vorraum sind – falls vorhanden – zu bevorzugen. Vorr?ume k?nnen für das Anlegen der erforderlichen pers?nlichen Schutzausrüstung (PSA) genutzt werden.
? Erforderliche Isolationsma?nahmen bei Patienten nach engem ungeschütztem Risiko-Kontakt erfolgen in Einzelzimmern. Hier ist keine Kohortierung m?glich.
? Bei jedem SARS-CoV-2 positivem Fall und jeder engen Kontaktsituation sollte die Fragestellung der Notwendigkeit einer SARS-CoV-2 spezifischen Therapiema?nahme/Prophylaxe z. B. durch ein infektiologisches Konsil gekl?rt werden. Hier sind der Immun- bzw. Impfstatus sowie die klinische Symptomatik zu beachten.
? Bei der Versorgung von SARS-CoV-2 positiven PatientInnen wird eine pers?nliche Schutzausrüstung, mindestens bestehend aus Filtrierender Halbmaske (FFP2), insbesondere bei Aerosol-generierenden Ma?nahmen, Schutzbrille oder Visier und Schutzkittel angewendet. Das Tragen von Hauben kann nach individueller Risikoabw?gung bei T?tigkeiten mit hohem Kontaminationsrisiko (z.B. nach aufw?ndigen pflegerischen oder physiotherapeutischen Ma?nahmen mit engem Kontakt) erwogen werden. Nach T?tigkeiten mit hohem Kontaminationsrisiko ist der Schutzkittel vor Versorgung eines Nachbarpatienten in einem Mehrbettzimmer zu wechseln. Medizinische Einmalhandschuhe sind bei m?glichem Kontakt zu potentiell infekti?sem Material (wie z. B. Speichel) zu tragen und unmittelbar nach Beendigung der Ma?nahme sowie vor Patientenwechsel abzuwerfen mit anschlie?ender hygienischer H?ndedesinfektion. Bei patientenfernen T?tigkeiten (> 1 Meter Abstand) kann auf eine Schutzbrille oder ein Visier verzichtet werden.
? In der Personalplanung müssen die für das korrekte An- und Ablegen der pers?nlichen Schutzausrüstung ben?tigten Zeiten mitberücksichtigt werden, um die Sicherheit der Besch?ftigten durch korrekte Anwendung zu gew?hrleisten.
? Nach Entlassung von SARS-CoV-2 positiven PatientInnen muss eine Desinfektion des Zimmers so erfolgen, dass nachfolgend keine Infektionsgef?hrdung besteht. Insbesondere müssen alle h?ufigen Hand- und Hautkontaktfl?chen berücksichtigt werden. Die Desinfektion erfolgt mit einem VAH-gelisteten Fl?chendesinfektionsmittel.
Standardpr?parate inkl. begrenzter Viruzidie reichen aus, da SARS-CoV-2 keine erh?hte Desinfektionsmittelresistenz aufweist (https://vah-online.de/files/download/news/2021_12_13_VAH_Mitteilung_Omikron_Desinfektion.pdf).
Umsetzung der Ma?nahmen unter Kontrolle des Hygienefachpersonals
Die Umsetzung dieser Ma?nahmen muss – einrichtungsbezogen angepasst – durch KrankenhaushygienikerInnen festgelegt werden. Anschlie?end sind die Ma?nahmen systematisch durch die Hygienefachkr?fte und das Hygienefachpersonal im ?rztlichen und pflegerischen Bereich zu schulen und zu überprüfen.
Eine Teststrategie mit niedrigschwelligen Angeboten bleibt ein wichtiges Instrument des Infektionsschutzes
Die niedrigschwellige Testung von Besch?ftigten mit Kontakt zu PatientInnen kann auch nach Auslaufen des §28b IfSG im Rahmen von Bündelstrategien eine sinnvolle erg?nzende Ma?nahme für die Reduktion des Eintrags und die frühzeitige Erkennung von Infektionsketten darstellen. Auf Grund der h?heren Sensitivit?t und der damit früheren Entdeckung positiver Personen sind PCR Testungen vorzuziehen.
Die Testung von medizinischem Personal wird unabh?ngig vom Impfstatus in folgenden Situationen empfohlen:
? Personal mit Symptomen einer oberen Atemwegsinfektion jeder Schwere (cave: bei Symptombeginn k?nnen auch hochsensitive Antigentests noch negativ ausfallen, eine Antigentestung sollte wiederholt werden)
? Asymptomatisches Personal mit ungeschütztem Kontakt (privat oder beruflich) zu einer SARS-CoV-2 positiven Person (Mindestabstand von 3 Tagen zum Kontakt abwarten und ggf. erneute Testung nach Tag 5)
? Serientestung von asymptomatischem Personal in Kontakt zu PatientInnen, bei welchen unabh?ngig vom Impfstatus ein schwerer Verlauf einer SARS-CoV-2 Infektion zu erwarten ist (z. B. Fachbereiche für Onkologie oder Transplantationsmedizin). Bei der Serientestung asymptomatischer Personen k?nnen bei Testung mittels PCR gepoolte Proben zur Kostenreduktion effektiv eingesetzt werden.
Auch Testungen station?rer Patienten im Verlauf sind nach Risikobeurteilung durch die Krankenhaushygiene weiter sinnvoll - Die Regeln von Screening- bzw. Teststrategien sollten durch die Hygienekommission festgelegt und vom Hygienefachpersonal umgesetzt werden.
Das frühzeitige Erkennen von im Verlauf der klinischen Versorgung neu auftretenden SARS-CoV-2 Infektionen bei PatientInnen stellt ebenfalls eine im Rahmen von Bündelma?nahmen sinnvolle Ma?nahme dar. Die Testung (bevorzugt mittels PCR) von PatientInnen wird unabh?ngig vom Impfstatus in folgenden Situationen empfohlen:
? In Phasen hoher Inzidenz kann neben einer (derzeit noch verpflichtenden) Testung vor oder bei Aufnahme eine erneute Testung im Verlauf sinnvoll sein, um Personen zu identifizieren, welche sich bei Aufnahme in einer m?glichen Inkubationsphase befinden.
? Grunds?tzlich muss auch nach negativer Testung bei Aufnahme bei neu auftretenden Symptomen einer Atemwegserkrankung eine erneute Testung erfolgen. Perspektivisch sollten hierbei auch andere virale Atemwegserreger (insbesondere Influenza) differentialdiagnostisch mitberücksichtigt werden.
? Asymptomatische PatientInnen mit ungeschütztem Kontakt (vor oder w?hrend des station?ren Aufenthalts) zu einer SARS-CoV-2 positiven Person (Mindestabstand von 3 Tagen zum Kontakt abwarten und ggf. erneute Testung nach Tag 5).
? Bei m?glichem nosokomialem Erwerb einer SARS-CoV-2 Infektion mit unklarer Infektionsquelle sollten PatientInnen eines betroffenen Bereiches zum Ausschluss weiterer Infektionen einmalig gescreent werden. Weitere Testungen (einschlie?lich Personalscreening) sind ggf. situationsangepasst festzulegen.
Patientenbesuche sollten mit flexiblen Schutzkonzepten grunds?tzlich erm?glicht werden. Besuchsverbote sind obsolet – Ausnahmen in Einzelf?llen sind transparent zu begründen
Risikoadaptiert k?nnen Einschr?nkungen von Besuchen oder Auflagen für Besuchende sinnvoll sein, um die Wahrscheinlichkeit des Eintrags von SARS-CoV-2 zu mindern. Die sozialen und zwischenmenschlichen Bedürfnisse besonderer Patientengruppen (z. B. Kinder, ?ltere Patienten, Schwerkranke, Palliativpatienten, etc.) müssen dabei mit den besonderen Schutzerfordernissen hochvulnerabler z. B. immunsupprimierter Patienten der Onkologie oder Transplantationsmedizin in Einklang gebracht werden. Auch die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit (z. B. erforderliche Wartung/Reparatur technischer Systeme) müssen im Fall von Einschr?nkungen oder Auflagen gesondert berücksichtigt werden.
Oft führen die notwendige Aufkl?rung der Besucher, die Unterweisung im korrekten Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Kontrolle der Einhaltung der Besuchsregeln zu einer zus?tzlichen Belastung des medizinischen, insbesondere des Pflege-Personals. Getroffene Ma?nahmen sollten daher in einfacher verst?ndlicher Form Besuchenden bereits vor oder beim Betreten von Krankenh?usern kommuniziert werden. Hierzu sollten alle zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel genutzt werden, um das Stationspersonal zu entlasten.
Folgende Ma?nahmen sollten je nach Risikoabw?gung umgesetzt werden, wobei Besuchenden mit Symptomen eines Atemwegsinfekts, unabh?ngig vom Impf- oder Genesenenstatus, grunds?tzlich von einem Besuch abzuraten ist:
? Begrenzung von Anzahl und Dauer von Besuchen
? Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (OP-Maske) durch den Besucher und je nach Situation auch für den besuchten Patienten. Die Verpflichtung zum Tragen einer filtrierenden Halbmaske (z. B. FFP2-Maske) für Besuchende und Patienten ist abzulehnen (siehe auch DGKH Stellungnahme vom 24. Januar 2022).
Der Vorstand der DGKH 14. M?rz 2022